Juryentscheid zur Opernspielstätte im Innenhof der Kongresshalle - unsere Stellungnahme

| Beitrag vom 1. Juli 2022

Eine Experten-Jury hat auf Basis von acht Standortvorschlägen entschieden, dass die Ausweichspielstätte des Nürnberger Opernhauses in den Innenhof der Kongresshalle gebaut werden soll. Hierzu nehmen wir folgendermaßen Stellung:

Geschichte Für Alle e.V. nimmt die Entscheidung für den Standort Innenhof Kongresshalle mit Bedauern zur Kenntnis.

Der Lernort ehemaliges Reichsparteitagsgelände wird durch den Einbau des Opernhauses in den Innenhof der Kongresshalle dauerhaft und unwiderruflich verändert. Als Bildungsträger, der jährlich hunderttausenden Gästen aus aller Welt einen vertieften Zugang zur Geschichte des Nationalsozialismus bei Führungen über das Gelände ermöglicht, wissen wir dabei gerade um den hohen Stellenwert des (leeren) Innenhofs der Kongresshalle.

An keinem anderen Ort auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, aber auch an wenigen anderen Orten in Deutschland kann das Scheitern des NS-Regimes besser verstanden werden. Nachdem sich die Kongresshalle mehr als ein dreiviertel Jahrhundert einer „Be“-nutzung sperrte (außer als Lager), ist sie inzwischen das größte und einzige NS-Bauwerk in diesem originalen Zustand in Deutschland und steht deshalb zu Recht in Gänze unter Denkmalschutz. Leider wurden und werden nun unter vermeintlichen Sachzwängen und künstlichem Zeitdruck ohne ausreichend Zeit für breite und tiefergehende Diskussionen Entscheidungen getroffen, die das Bauwerk als historisches Dokument irreversibel verändern.

Der auf den ersten Blick ersichtlich unfertige Monumentalbau erklärt aus sich selbst heraus, ohne dass es vieler Erläuterungen bedarf, den Größenwahn des Regimes. Dieser Raumeindruck, der bereits jetzt durch die Bildungsarbeit vor Ort von unserem Verein wie auch vielen anderen Trägern, konstruktiv und demokratisch gebrochen wird, geht durch das Opernhaus im Innenraum verloren.

Wir argumentieren, dass dies bei einem Standort an der Außenfassade nicht in gleichem Maß der Fall gewesen wäre. Eine begrenzte Veränderung der Granitfassade, die symbolisch für den Ausschluss von Menschen aus der sogenannten „Volksgemeinschaft“ steht, ist als demokratische Umwandlung des Täterorts für uns sehr viel schlüssiger. Aus diesem Grund hätten wir die Umsetzung des Vorschlags des Architekturbüros Snøhetta AS, der die Spielstätte an der Seeseite der Fassade andockt und den Baukörper überzeugend in Terrassenform zum Teil unterirdisch in die Landschaft einpasst, sehr begrüßt.

Die temporäre, ephemere und vielfältige Bespielung des Innenhofs durch Bildungsarbeit, Kunst und Kultur ist für uns die einzige Möglichkeit, dass sich jede Generation aufs Neue mit der Erinnerung an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte auseinandersetzen kann.

 

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