
Leerer Innenhof ist Lernort und Denkmal
| Beitrag vom 04. Oktober 2021
Hier unsere Position zum aktuellen Vorschlag, den Innenhof der Kongresshalle als Ausweichspielstätte für die Nürnberger Oper zu nutzen:
Geschichte Für Alle e. V. kritisiert die Idee, den Innenhof der Kongresshalle als Ausweichspielstätte für das Opernhaus zu bebauen und fordert zugleich ein transparentes Verfahren sowie eine öffentliche Debatte.
Seit mehr als 30 Jahren setzt sich Geschichte Für Alle e.V. engagiert und kritisch mit dem Erinnerungsort ehemaliges Reichsparteitagsgelände auseinander. Die aus dieser Beschäftigung hervorgegangenen Führungen und Publikationen sind ebenso wie die pädagogische Arbeit im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände zentraler Bestandteil der historisch-politischen Bildung und der Erinnerungskultur auf dem Gelände. Allein im Jahr 2019 (vor Corona) nahmen mehr als 4.000 Besuchergruppen mit über 100.000 Menschen aus aller Welt an Bildungsprogrammen von Geschichte Für Alle e.V. auf dem Reichsparteitagsgelände teil.
Die viele Millionen teuere „Trittfestmachung“ und Öffnung der Zeppelintribüne und des Zeppelinfeldes, um die ursprüngliche Raumbezüge und das Gesamtkonzept der Anlage wieder sichtbar zu machen, sind ohne diese historisch-politische Bildungsarbeit nicht denkbar.
Eine ebenso große Bedeutung für die historisch-politische Bildungsarbeit hat die Kongresshalle, das zweite wichtige Propagandabauwerk des Reichsparteitagsgeländes. Geschichte Für Alle e.V. befürwortet ausdrücklich die Schaffung von Räumlichkeiten für Kunst- und Kulturschaffende in den Innenräumen des Rundbaus. Hierbei darf jedoch das äußere Antlitz der unter Denkmalschutz stehenden Kongresshalle nicht nachhaltig verändert werden. Dies gilt für die äußere Blendfassade aus Granit, noch viel mehr aber für den mit der Eröffnung des Dokumentationszentrums bewusst leergeräumten Innenhof, der wie kein anderer Ort auf dem Reichsparteitagsgelände für den Größenwahn und das Scheitern der NS-Diktatur steht. Dies lässt sich hier nicht nur intellektuell begreifen, sondern auch sinnlich erfahren. Hunderttausende von Besuchern erkunden jährlich in Gruppen oder auf eigene Faust den Innenhof, der mit Sicherheit zu den meistbesuchten Orten Nürnbergs zählt. Gerade der Innenhof der Kongresshalle ist ein Lernort von nationalem und internationalem Rang und daher nicht nur für Geschichte Für Alle e.V. ein zentraler und hochfrequentierter Ort der historisch-politischen Bildung.
Der Kongresshallen-Innenhof ist daher keineswegs „öde und vernachlässigt“ und könne „gebäudlich wie inhaltlich befüllt“ werden, wie OB Marcus König in einer Stellungnahme zur „Ausweichspielstätte Opernhaus“ schreibt. Ein durch einen Neubau, der an seiner höchsten Stelle nahezu die Höhe der Kongresshalle erreichen wird, verstellter Raum und eine Vielzahl eingebauter Fenster würden den erinnerungskulturellen Denkmalwert ein für allemal zerstören.
Eine Entscheidung des Stadtrats dieser Tragweite, die Fakten für die kommenden Jahrzehnte schafft, darf nicht einem als Ausschlussargument angeführten „Zeitdruck“ unterliegen, sondern erfordert zwingend einen öffentlichen Gesprächsraum und Diskurs über den zukünftigen Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände.
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