Geschichtsvermittlung in der Krise: Was bedeutet Corona für Geschichte Für Alle e.V.?

| Beitrag vom 8. Mai 2020, von Lena Prechsl

An einem schönen Sonntag im Herbst letzten Jahres staunten die Bewohner*innen der Wohnsiedlung Rangierbahnhof nicht schlecht, als sich ein Zug von 135 Personen durch die Straßen bewegte. Handelte es sich dabei um eine Demonstration im sonst eher gediegenen Wohnviertel? Nein, die vielen Menschen waren gekommen, um sich bei einem Stadtteilrundgang unseres Vereins mit der Geschichte der gartenstädtischen Siedlung zu beschäftigen. Für den von dem Ansturm durchaus überraschten Rundgangsleiter war es nicht nur eine stimmliche Höchstleistung, der riesigen Gruppe spannende Einblicke in die Vergangenheit zu ermöglichen.

Doch viel größer sind die Herausforderungen, denen wir als Verein und in erster Linie als begeisterte Geschichtsvermittler*innen nun ausgesetzt sind. Einen stärkeren Kontrast zu der geschilderten Situation im Herbst könnte es fast nicht geben: Seit Mitte März ist das Durchführen von Stadtführungen untersagt. Die Museen, in denen wir sonst als pädagogischer Partner Workshops und Führungen anbieten, haben geschlossen. Die Absolutheit, mit der die Corona-Pandemie die Möglichkeiten der unmittelbaren, personellen Geschichtsvermittlung unterbunden hat, trifft uns hart.
Unsere Arbeit lebt davon, Menschen jeden Alters – egal ob alteingesessen oder nur für wenige Stunden zu Besuch in der Stadt – ebenso fundiert wie auch unterhaltsam Zugänge zur Geschichte zu ermöglichen. Dabei sind wir überzeugt, dass der beste Weg für einen kritischen Umgang mit der (eigenen) Vergangenheit die selbsttätige Auseinandersetzung mit ihren Zeugnissen ist. Wir wollen den Menschen durch Gespräche mit unseren Expert*innen ermöglichen, sich die Stadt anzueignen und im Stadtbild mehr zu sehen, als Gebäude und Plätze.

Auch wenn digitale Angebote wie auch das altbewährte Buch hierfür in der gegenwärtigen Situation gute Ausweichmöglichkeiten bieten, so sind alle Medien nicht in der Lage, die gewaltigen Potentiale der personellen Vermittlung bei Stadtführungen zu ersetzen.
Für uns bedeutet die Corona-Krise also gerade in erster Linie viel Geduld zu haben und dabei nicht im Stillstand zu verharren, sondern unsere Konzepte konsequent weiterzuentwickeln. Wir wollen, dass auch in Zukunft ein wichtiger Teil des kulturellen Lebens in Nürnberg, Fürth, Erlangen und Bamberg die Beschäftigung mit Stadtgeschichte „auf der Straße“ ist. Kurzum: Wir freuen uns sehr auf den Zeitpunkt, zu dem wir wieder Führungen anbieten können.

Magdalena Prechsl sprach in einem Interview mit Franken Fernsehen über die aktuelle Lage bei Geschichte Für Alle e.V.

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